Helga Kämpf-Jansen - Ein Nachruf

 Vierzehn Jahre lang, von Heft 30/1974 bis Heft 146/1990, war Helga Kämpf-Jansen Mitglied der Herausgeberrunde von KUNST+UNTERRICHT. Mit großem Engagement und hartnäckigerÜberzeugungsarbeit behauptete sie ihre Positionen und Themen. Sie hatte erheblichen Anteil an der Ausbildung einer offenen Diskussionskultur, die die Redaktionssitzungen bis heute prägt. Prof. Dr. Helga Kämpf-Jansen ist am 19. 2. 2011 verstorben. Herausgeberrunde, Redaktion und Verlag gedenken ihrer als engagierter, wegweisender Mitarbeiterin von KUNST+UNTERRICHT.

Viel zu früh ist Prof. Dr. Helga Kämpf-Jansen am 19. Februar 2011 nach langer schwerer Krankheit in ihrer Heimatstadt Kassel in ihrem Haus gestorben. Erst 2008 war sie in dieses von ihr liebevoll ausgestaltete Refugium gezogen, ihrem Paradies, wie sie sagte. 
In Kassel wurde sie am 4. Oktober 1939 geboren. In dieser im Krieg fast völlig zerstörten Stadt ist sie in einer Arbeitersiedlung aufgewachsen. Der Weg ins Realgymnasium für Mädchen war weit und wurde von ihr meist mit dem Fahrrad zurückgelegt. Sie eroberte sich damit aktiv den in ihrer Ausgangssituation und zu dieser Zeit für Mädchen durchaus nicht selbstverständlichen Zugang zur „höheren“ Bildung. In einem der ersten Kunstleistungskurse in Hessen hatte sie Glück mit ihrem Kunstunterricht. Zugleich entdeckte sie die Kunst in Kassel und ging über Monate täglich nach der Schule ins Museum. Von da an war Kunsterfahrung als besonderer Zugang zur Welt für sie immer präsent. In einem biografischen Interview begründete sie später ihre Entscheidung gegen das Studium an der Kunstakademie und für die Ausbildung als Volksschullehrerin mit dem Wunsch, in der Grundschule Kinder in allen ihren Lernbereichen und nicht ein gymnasiales Fach unterrichten zu wollen.* 
Zum Studium ging sie daher an das Pädagogische Institut in Weilburg. Direkt nach dem 1. Staatsexamen wurde sie als Junglehrerin in Frankfurt / M. eingestellt – und hatte sich damit schon mit Anfang Zwanzig die finanzielle Unabhängigkeit gesichert. Fünf Jahre arbeitete sie als Lehrerin in der Großstadt Frankfurt in verschiedenen Schulen. Im linken intellektuellen Umfeld der kritischen Theorie hat sie 1966 mit ihrem damaligen Ehemann Günter Kämpf den Anabas-Verlag gegründet. 
1968 wurde sie mit 29 Jahren als pädagogische Mitarbeiterin an das neue Institut für Kunsterziehung der Justus Liebig-Universität in Gießen geholt, wo sie die Position der Visuellen Kommunikation tatkräftig mitgestaltete. Sechs Jahre war sie Mitglied der Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Hessischen Rahmenrichtlinien „Kunst“. Aus dieser Gruppe heraus wurde sie 1976 zusammen mit Johannes Eucker und Hermann Hinkel auf Einladung von Gunter Otto Mitherausgeberin der Zeitschrift Kunst+Unterricht und blieb dies bis 1990 – als einzige Frau in der Runde. In dieser Zeit verantwortete sie viele Hefte, die es ohne sie wohl kaum gegeben hätte: über Objekte und Dinge, Kitsch und Triviales, Werbung, Körper, Metamorphosen, Geschlechterrollen und ästhetische Leitbilder, Kolleginnen, Mädchenbilder, Bilder der Nacht, Gewaltdarstellungen, … Diese Themen wurden von ihr im kritischen Diskurs, aber auch in Unterrichtsversuchen und konkreten Unterrichtsmaterialen erarbeitet und vorgestellt – als Aufforderung zum eigenen Nachdenken und Handeln. Dabei suchte sie hinter den banalen alltäglichen Dingen ebenso wie in der Kunst nach den „großen Gefühlen“; Liebe und Tod, Thanatos und Eros begleiteten sie, seitdem sie erwachsen wurde.* 
Als leidenschaftliche Hochschullehrerin, Künstlerin und Wissenschaftlerin, entwarf sie Projekte und Anstöße zur Veränderung der von ihr engagiert und kritisch zugleich erlebten gesellschaftlichen Realität des Faches Kunst. Die größte persönlicheHerausforderung stellte hier das Projekt „Kunst im Strafvollzug“ dar, dessen Leitung sie von Hermann K. Ehmer 1983 übernahm und weiterführte bis zu ihrer eigenen Berufung 1992 als Professorin für Kunst und ihre Didaktik an die Universität Paderborn. Parallel zu diesen verschiedenen Aufgaben hatte sie 1987 bei Gunter Otto ihre Promotion abgeschlossen. 
Helga Kämpf-Jansen hat erst spät – im Jahr 2000/2001 – in Paderborn ihr kunstpädagogisches Lebenswerk mit dem Begriff „Ästhetische Forschung“* zu einer eigenständigen Fachkonzeption profiliert und prägt damit bis heute durchaus kontrovers aber nachhaltig die kunstpädagogische Diskussion. Als sie ein Jahr nach der Veröffentlichung zum ersten Mal am Krebs erkrankte, nahm sie auch diese Herausforderung auf und erkämpfte sich weitere Jahre der leidenschaftlichen Vermittlung ihrer Ideen und der künstlerischen Arbeit. Denn für Helga Kämpf-Jansen war Ästhetische Forschung ein Lebenselixir, eine lebenslange persönliche Grundhaltung, die sie immer wieder aufs Neue in wissenschaftlichen, künstlerischen und alltäglichen Feldern verfolgte und niemals wirklich beendete. Auch mit ihren letzten Besuchern sprach sie noch über neue Pläne und Ausstellungsprojekte. 
Alle, die sie persönlich kannten, werden diese starke Frau, Kollegin, Lehrerin, Hochschullehrerin, Freundin so in Erinnerung behalten wie sie uns dieses Foto kurz vor ihrer erneuten Erkrankung im Sommer 2009 noch einmal zeigt: Selbstbewusst und herausfordernd lächelnd schaut sie uns von oben sehr zugewandt direktan – „dann macht mal weiter …“

Adelheid Sievert 


Literatur
* Blohm, Manfred / Heil, Christine / Peters, Maria / Sabisch, Andrea / Seydel, Fritz (Hg.): Über Ästhetische
Forschung. Lektüre zu Texten von Helga Kämpf-Jansen. München 2006.
* Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Zu einem
innovativen Konzept ästhetischer Bildung. Köln 2000.

Dieser Artiel erscheint in Kunst+Unterricht (Heft 351/2011) und wird mit der Genehmigung des Verlags hier vorab veröffentlicht.

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